Hitler und die Finnen
Vergangene Woche habe ich einiges in schwedischer Sprache über Mauri Sariola, den populären Krimi-Autor, aufgezeichnet, und dabei bin ich auf den Gedanken gekommen, über das Verhältnis der Finnen zu Hitler und dem Nazismus nachzudenken. Die Sprachwahl dabei ist selbstverständlich.
In den siebziger Jahren (oder sollte man jetzt "Siebzigerjahren" schreiben? ich bin noch nicht vertraut genug mit der neuen Rechtschreibung, obwohl es an der Zeit wäre) war es die stalinistische Linke - die "Taisto-Leute" ("taisto" ist das poetische Wort für Kampf, aber auch der Vorname des kommunistischen Politikers Taisto Sinisalo, der als Leiter der stalinistischen Fraktion der kommunistischen Partei galt - diese Erklärung ist an die Leser meines einsprachig deutschen Internet-Tagebuchs gerichtet, die wahrscheinlich weniger von der politischen Zeitgeschichte Finnlands wissen als die Leser des überwiegend finnisch abgefassten Plöki) - die den Ton angaben in öffentlichen Debatten über Finnlands Verhältnis zu Hitler. Der O-Ton stammte natürlich aus Moskau. Sogar sozialdemokratische und zentristische Politiker bemühten sich, eine Betrübtheit über die angeblich kryptofaschistische Natur der Bundesrepublik Deutschland an den Tag zu legen, die heute sinnlos und abstrus anmutet: zum Beispiel soll Urho Kekkonen in seinem Tagebuch behauptet haben, Willy Brandt "höre sich an wie ein Nazi" - und das mitten während der Entspannung der 70er Jahre, als Brandt, der bundesrepublikanischen Rechten zum Trotz, eben im Begriff war, die Ostverträge zu schliessen. (Übrigens soll Brandt eine viel höhere private Meinung von Kekkonen gehegt haben, als dieser von ihm.)
Es muss in der Tat zugegeben werden, dass eigentlich sehr wenige Finnen in den Kriegsjahren sachliche Gründe hatten, eine besondere Feindschaft gegen Deutsche oder Nazis zu entwickeln. Nur ein paar Finnen kamen in die KZs, und wer da sass, galt wahrscheinlich sowieso als Kommunist, und seine Erlebnisse konnten sich nach dem Krieg nicht auf die Gesinnungslage der Nation auswirken - er wurde wahrscheinlich lediglich im Kreis politisch Gleichdenkender ernst genommen. Die überwiegende Mehrheit hatte eher vor Stalin Angst, und als Finnland kurz vor dem Kriegsende mit den Sowjets einen Separatfrieden schloss und folglich die Deutschen aus Lappland herauswerfen musste, wurde dieser Krieg um Lappland in vielen Schichten des Volkes als eine Tragödie empfunden, die die Russen uns aufgezwungen hatten: die Deutschen waren keine Feinde. Während des Rückzugs hat die Wehrmacht zwar ganz Lappland niedergebrannt, aber ich vermute, nur die Samen und Nordfinnen haben ihre Sympathien von dieser Verwüstung beeinflussen lassen, aber für die Südfinnen waren die Deutschen immer noch unsere Waffenbrüder und Helfer.
Meine Grossmutter war eine überzeugte Demokratin, die schon aus gewöhnlicher ehelicher Loyalität ihrem Mann gegenüber, der als Zentrist von den finnischen Faschos der Lapua-Bewegung in den dreissiger Jahren verfolgt und eingeschüchtert wurde, keiner rechtsextremistischen Sympathien verdächtigt werden kann. Immerhin konnte sie, als im Fernsehen irgendein Kulturfilm über die Hitlerei lief, so eine Bemerkung fallen lassen wie: er hätte in Deutschland eine westliche Demokratie einführen sollen, statt dieser Diktatur. Das heisst, sie hatte sich die Geschichte so eingebleut, dass es in Deutschland vor Hitler keine Demokratie gegeben und dass die Rettung des Vaterlands, die Hitler seinen Untertanen versprach, die "Wiedereinführung der Demokratie" impliziert hätte. In Wirklichkeit war es natürlich ganz umgekehrt: Demokratie gab es vor Hitler, und sie wurde von Hitler vernichtet. Aber es spricht Bände, dass meine Grossmutter Hitler am ehesten als die letzte (und trügerische) Hoffnung der Demokratie empfand, höchstens als Spätfolge des schon früher eingetretenen Untergangs der Demokratie, und nicht als die Todesursache der Weimarer Republik.
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